Darf ich mich vorstellen? Ich bin Leopold Zausel von der Distelbeck. Willkommen in meinem virtuellen zu Hause.

Leider habe ich vor langer Zeit mein Heim verloren und musste eine Zeit lang auf der Straße leben. Aufgrund einer kleinen Fehlfunktion meiner Schilddrüse wurde ich dort sehr krank und brauchte dringend Hilfe. Meine Retter vom Tierschutzverein Groß-Essen e. V. haben nicht lange gefackelt und mich zu sich genommen. Dort wurde ich mit viel Liebe von den Pflegern aufgepäppelt und durfte sogar für ein paar Tage in ein Katerhotel mit VIC*-Zimmer. Die Wirte Bea und Ernst haben mich dort besonders gut behandelt und sich hervorragend um mich gekümmert. Und am 23. Dezember 2011 war es dann soweit: Ich bekam mein neues zu Hause mit eigener Schmuserin und Betreuerin, die nur noch für mich da ist.

Meine Namensgebung war so eine Sache. Da ich im Distelbeckhof in Essen-Katernberg (ein sehr schöner Stadtteil-Name!) gefunden wurde, nannten die Leute im Tierheim mich Distel. Bea und Ernst haben festgestellt, dass ich aussah wie ein Zausel, da ich ziemlich übel vom Tierheim-Frisör zugerichtet wurde. Doch meiner Betreuerin verriet ich meinen vollständigen Namen: Leopold Zausel von der Distelbeck, für Freunde kurz Leo.

*) VIC = very important cat

Sarah †

Meine Mutter war und ist schon immer eine große Katzenfreundin. Ebenso gehört ein großes Verantwortungsbewusstsein zu ihren Eigenschaften. Und da sie als alleinerziehende Mutter berufstätig war, war ihr klar, dass sie nicht die Möglichkeiten hatte, einer Katze ein Heim zu bieten, das es verdient hätte. Was wäre im Urlaub? Was wäre, wenn einer von uns krank werden würde und sich nicht mehr um die Katze kümmern könnte? Die Vernunft steckte – und steckt – meiner Mutter tief im Blut.

Im Spätsommer 1993 sollte eine Katze ihre Meinung grundlegend ändern: Wer eine Katze liebt, der schafft Hindernisse aus der Welt und bereitet ihr das schönste zu Hause, das man geben kann.


Die Tage im Jahre 1993 wurden ganz langsam kürzer ...

Direkt an unserer Haustür war ein Gebüsch. Und in immer regelmäßigeren Abständen saß eine schwarz-weiße Katze darin. Wenn wir von der Arbeit kamen, begrüßte sie uns immer mit einem kläglichen Mauzen. Das ging einige Wochen so. Mit der Zeit fielen die Temperaturen immer mehr und die Herbststürme zogen auf. An einem Abend, als ich nach Hause kam (damals war ich noch in der Ausbildung und lebte noch bei meiner Mutter) goss es in Strömen. Das war genau der Zeitpunkt, an dem das Katzli seine große Chance witterte und sich mir fast in den Weg warf und mich mit großen Augen anschaute.

Eine durchnässte Katze mit großen Augen hat anscheinend eine sehr große Wirkung auf mich. Ich öffnete die Tür, rief sie kurz und sie war schneller im Hausflur als ich gucken konnte. Da wir im Erdgeschoss wohnten standen wir auch schon vor der Wohnungstür und ich öffnete diese. Wie selbstverständlich ging die Dame hinein, guckte sich ein wenig um und kam dann mit in mein Zimmer um sich erst mal in Ruhe trocken zu lecken.

So besuchte die Katzendame uns nun regelmäßig und bekam manchmal sogar schon Leckerchen, hatten wir doch ein paar kleiner Katzenleckerbissen besorgt. Da sie ein Halsband trug, war für uns klar, dass sie auch ein zu Hause hatte. Wir fanden auch die Besitzer der Katzendame, die Sarah hieß, und brachten sie ab sofort regelmäßig nach Hause. Doch nachdem wir Sarah zu Hause abgeliefert hatten, rannte sie so schnell wieder zu unserem Haus zurück, dass noch vor uns wieder ankam und fragend guckte, wo wir denn so lange blieben.

Was wir auch versuchten, Sarah hatte beschlossen bei uns einzuziehen. Nach einigen Wochen gaben dann auch ihre alten Besitzer auf und sahen ein, dass ihre Katze ein neues Heim bezogen hatte.

Im folgenden April war für uns endgültig klar, diese Katze gehört jetzt uns und wir haben die Verantwortung. Und das bedeutete auch, dass die Katze geimpft und untersucht werden musste. Als meine Mutter in Kur war, bat sie mich, mit Sarah zum Tierarzt zu fahren und alles abklären zu lassen. Also fuhren meine beste Freundin Christina und ich mit Sarah zur Praxis.

Und hier vielen wir aus allen Wolken. Es stellte sich heraus, dass Sarah sehr krank war und voll mit Tumoren und Metastasen war. Der Tierarzt riet mir, sie sofort einschläfern zu lassen, da sie allen Anschein nach starke Schmerzen haben müsste. Vollkommen schockiert habe ich natürlich zugestimmt, wollte ich das arme Ding doch nicht noch lange leiden lassen.

Auf dem Weg nach Hause wurde mir klar, warum Sarah zu uns gezogen war. In ihrem alten Heim waren noch andere Hunde und Katzen sowie Kinder. Sarah hatte sich vorzeitig von ihnen verabschiedet und einen sicheren, ruhigen und warmen Ort zum Sterben gesucht.

Meiner Mutter und mir brach es das Herz. Sie hätte damals am liebsten die Kur abgebrochen um sofort nach Hause zu kommen. Damals war mir aber schnell klar, dass dies nicht die letzte Katze in unserem Leben sein sollte. Denn Sarah brachte uns etwas bei, was wir nie gedacht hätten:

Die Katze bestimmt die Umstände unter denen sie glücklich ist. Nicht der Mensch. Und wenn auch alle Vernunft davor abrät, sich eine Felinae zuzulegen, so werden Katz und Mensch zusammen die Welt zurecht rücken, um alle glücklich zu machen.

Sarah wird als unsere allererste Katze immer einen ganz besonderen Platz in unserem Herzen haben, wobei ich inzwischen feststelle, dass jede Katze einen ganz besonderen Platz in meinem Herzen hat. Herzen sind anscheinend sehr groß.  

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